Besuch in Hadamar

Paula war acht, als die Nazis sie vergasten

Ein kühler Wind weht, als der Kurs für Gesellschaftswissenschaften von Julien Halbow das Gelände der Gedenkstätte Hadamar betritt. Die Nationalsozialisten nutzten das Vernichtungslager von 1941 bis 1945, um dort überwiegend Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung zu ermorden. Die Gedenkstätte erinnert heute an die rund 15.000 Opfer in Hadamar, einer kleinen Stadt nordwestlich von Frankfurt, in der Nähe von Limburg. Barbara Thurnay (Text) und Rouven Rupp (Fotos) berichten.

Der Ausflug findet im Rahmen des diesjährigen Projekts „Nachspü/uren“ statt, in dem die Schüler und Lehrkräfte der Leibnizschule aufarbeiten, was in der Zeit des Nationalsozialismus unter Adolf Hitler an ihrer Schule passierte. In Hadamar zeigte sich eine weitere Seite der unmenschlichen Ideologie der Nazis: Sie maßten sich an zu entscheiden, welches Leben lebenswert sei. Ein Leben mit Behinderungen zählte für die Rassisten im Wahn der "Rassenhygiene" nicht dazu.

Unter den Opfern von Hadamar sind auch Kinder, wie Paula Hörr. Sie war erst acht Jahre alt, als sie in Hadamar vergast wurde. Ihren Angehörigen schrieb die Anstaltsleitung, wie auch allen anderen Familien der Opfer, in einem Brief, sie werde in Hadamar therapiert. Denn Paula war geistig und körperlich zurückgeblieben. Nachdem sie verstorben war, erhielten ihre Eltern einen automatisierten Brief, in dem stand, sie sei einer Krankheit erlegen, obwohl das nicht stimmte. Denn: Die Bevölkerung sollte nichts von den Morden erfahren. Trotzdem wussten die Menschen in Hadamar schnell Bescheid, berichtet die Führerin der Gruppe, Regina Gabriel. "Denn man roch den Gestank, der aus dem Ofen kam, in dem die Menschen nach dem Vergasen verbrannt wurden." So formierte sich langsam Widerstand gegen diese Art des Tötens. Vor allem die katholische Kirche spielte dabei eine große Rolle. Viele Bischöfe sprachen in ihren Predigten über die Missstände und im August 1941 endete diese Art der Tötung schließlich – ohne dass das Morden an sich ein Ende nahm.

Im Jahr 1942 ging das Töten weiter. Nun wurden, anders als vorher, auch psychisch kranke Menschen umgebracht. Die Opfer wurden allerdings nicht vergast, sondern durch Überdosierung von Medikamenten oder gezielte Mangelernährung getötet.

Nach dem Besuch der Bus-Garage, wird die Gruppe in den kühlen Gaskeller geführt. Beim Betrachten der gelb gefliesten Gaskammer und des Krematoriums, in dem die Opfer verbrannt wurden, herrscht Stille. Die Schüler sind fassungslos über die Kaltblütigkeit der Mörder. „Wie konnte das überhaupt passieren? Hat sich die Bevölkerung nicht gewehrt?“, fragt ein Schüler. Regina Gabriel erklärt darauf, dass viele Menschen, die von den Morden wussten, sich zunächst nicht sonderlich dafür interessiert hätten, wenn sie selbst nicht betroffen waren.
Von der Gaskammer aus steigt die Gruppe viele Treppenstufen hoch, um auf den ehemaligen Friedhof zu kommen. Dort wurden die Opfer der zweiten Mordphase begraben. Heute kann man hier ein Denkmal mit der Aufschrift „Mensch, achte den Menschen“ finden. Das ist auch das, was nach dem Ausflug in den Köpfen der Schüler bleibt, denn so etwas wie in der Zeit des Nationalsozialismus soll nie wieder passieren.

Für weitere Informationen könnt ihr gerne die Webseite der Gedenkstätte (www.gedenkstaette-hadamar.de) besuchen. Ihr könnt dort auch selbst hinfahren.