beSITZEN – Leibnizschüler entwerfen Charakterstühle für das Deutsche Architekturmuseum

Am Beginn des Schuljahres hat es sich der Wahlpflichtunterricht Kunst von Dr. Andrea Mihm zur Aufgabe gemacht, das Thema „Sitzen“ und „Sitzmöbel“ näher zu beleuchten. Ziel war es, eigene dreidimensionale Sitzobjekte zu kreieren und in Form einer Ausstellung zu präsentieren. Es sollten jedoch nicht irgendwelche Stühle gebaut werden. Vielmehr sollten Objekte entstehen, welche die beteiligten Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe, in ihren individuellen Charaktereigenschaften abbilden. Die künstlerischen Hervorbringungen wollten sie schließlich in Form einer Ausstellung präsentieren – im renommierten und weit über die Grenzen Frankfurts hinaus bekannten Deutschen Architekturmuseum – DAM. Der Titel der Ausstellung: "beSITZEN - künstlerische Annäherung an ein Alltagsobjekt".

Das Vorhaben war ein gewagtes. Es war von Anfang an sehr offen angelegt, das Thema erwies sich als vielschichtig und berührte gleich mehrere Disziplinen: Die Kunst-Schülerinnen und -Schüler befassten sich mit der Kulturgeschichte des Sitzens, der Architektur und Design ebenso wie mit der zeitgenössischen Kunst und der Malerei. Mit ihrem Thema „Ich als Stuhl“ verfolgten sie zudem einen individuellen Ansatz, bei dem sie sich auf sehr persönliche Erkundungswege begeben haben. Darüber hinaus waren weitere Lerngruppen beteiligt: die Klasse 5a, 9b und 9d, die unter anderem jeweils einen Tag im Museum forschten und gestalteten, der Wahlpflichtunterricht Darstellendes Spiel von Yvonne Bertelmann, der eigens eine ausdrucksstarke Performance erarbeitete, und auch der Religionskurs von Dr. Iris Gniosdorsch hat sich dem Thema gewidmet. Folglich gab es viel zu koordinieren und zu organisieren. Dies alles in Zusammenarbeit mit dem DAM und großzügig finanziell gefördert von dem Programm „kunstvoll“ der Kulturfonds RheinMain und dem Förderverein der Leibnizschule.

Das Projekt gliederte sich in drei Phasen: Im ersten Teilabschnitt näherten sich die Nachwuchs-Designer dem Thema aus verschiedenen Richtungen an. Sie  stellten vielfältige Erkundungen an: befragten und beobachteten sich selbst und ihr Sitzverhalten, untersuchten Sitzmöbel in ihrem näheren Umfeld und zu verschiedenen Zeiten und Anlässen, sie analysierten Stuhl-Kunstwerke in der Malerei und Gegenwartskunst, legten eine eigene Stuhlsammlung an, erforschten verschiedene Materialien und führten erste praktische Studien durch. Es wurde gezeichnet, gesägt, gehämmert, geschraubt, diskutiert, fotografiert, geforscht, skizziert, analysiert, gedichtet, entworfen, demontiert und konstruiert.

Highlight dieser ersten Erkundungsphase war eine Exkursion zum namhaften Unternehmen Thonet, das über eine lange Tradition auf dem Gebiet der Stuhlproduktion zurückblicken kann und das in Frankenberg/Eder sowohl ein eigenes Museum betreibt als auch produziert.

Die zweite Projektphase fand zum Großteil in den einmaligen Räumlichkeiten des DAM statt: Unter Anleitung von Frau Gebhardt vom Museum und gemeinsam mit den Lehrerinnen vertieften die Schüler die bereits gewonnenen Erkenntnisse, schauten genauer auf ihre individuellen Charaktereigenschaften und überlegten und erprobten, wie diese mittels Material, Form und Farbe in ein entsprechendes Stuhlmodell einfließen können. Sie entwickelten Ideen, welche sie teils überarbeiten oder auch ganz verwerfen mussten, bis sie zu einem geeigneten Modell fanden. Für die Umsetzung desselben beschafften sie beispielsweise Baumstämme von einem Gärtner, gingen mit den Lehrerinnen in den Baumarkt und besorgten Werkzeuge und schöpften aus einem riesigen Materialfundus im Museum. Bei all der praktischen Arbeit haben sie viel gelacht, geflucht, geschwitzt und gelernt. Schließlich gelang es jedem einzelnen, ein persönliches Stuhlwerk zu gestalten.

Die dritte Projektphase, in der die Ausstellung und ihre Eröffnung vorbereitet wurden, konnte starten: Ein Projektbuch aus Zeichnungen, Dokumentationen und Entwürfen wurde zusammengestellt, Schriftzüge und Präsentationsformen überlegt, Audiodateien zusammengeschnitten, Aleyna Cugali hat ein Vortrag für die Vernissage erarbeitet, die Performance wurde geprobt, geprobt und abermals geprobt. Schließlich präsentierten sie ihre Werke und all das, was sie während des Projektes beschäftigt hat, voller Stolz und auch etwas nervös am 26. Februar 2020 im DAM.

Die Besucher der Vernissage waren berührt und beeindruckt - von der Poesie, dem Ideenreichtum und der sehr persönlichen Note, die jedes Objekt ausstrahlt. Manche Stühle wirken, als könnten sie reden: Ein winziger Holzschemel, ein filigranes, feengleiches Draht- und Gazegeflecht oder ein blühendes Kunstwerk, das leuchtendfarbige Blüten durch Maschendraht wachsen lässt - alle drücken aus, wie intensiv sich alle Schülerinnen und Schüler mit ihrem eigenen Wesen und Charakter beschäftigt und sich hier einen Ausdruck geschaffen haben.

 

Das Projekt wurde finanziell großzügig unterstützt vom Kulturfonds Frankfurt am Main "kunstvoll" und dem Förderverein der Leibnizschule

Text: Andrea Mihm