Nachspüren vor Ort: Besuch im KZ Buchenwald

Sie wollten mehr wissen. Acht Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 reisten, begleitet von Dr. Andrea Mihm und Dr. Iris Gniosdorsch, während der Projektwoche 2019 in die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. Das Jahres-Projekt “Nachspüren – Suche nach Spuren ehemaliger jüdischer Schüler der Leibnizschule” hatte ihr Interesse an der Geschichte der Verfolgung und Vernichtung der Juden in Europa geweckt. Was sie dort erlebt haben, davon berichtet die Schülerin Paula Eichmann.

Konzentrationslager Buchenwald: 1937-1945

  • 400.000 Quadratmeter großes Häftlingslager
  • 3500 Meter langer, elektrisch aufgeladener Stacheldrahtzaun
  • 139 Außenlager
  • Häftlinge:
  • 30.000 Jugendliche und Kinder
  • 28.230 Frauen
  • 249.570 Männer aus über 50 Ländern kommend
  • 56.000 Tote
  • 1944: Männer, Frauen und Kinder nach Auschwitz in den Tod transportiert
  • Im Februar 1938: 2.728 Häftlinge im Februar 1945: 112.050 Häftlinge.

Die hier aufgelisteten Zahlen sahen wir auf einer Informationstafel in Buchenwald. Unsere Projektgruppe „Nachspüren“ ist vom 23 bis 26. Juni 2019 nach Weimar gefahren, um sich dort das ehemalige Konzentrationslager (KZ) anzuschauen. Wer waren die Inhaftierten? Juden, Homosexuelle, sogenannte „Berufsverbrecher“, Emigranten, Zeugen Jehovas, politisch Andersdenkende und so genannte „Arbeitsscheue“ hat das nationalsozialistische Regime im Konzentrationslager Buchenwald festgehalten. Zur „arbeitsscheuen Person“ erklärten die Nationalsozialisten, also die Nazis, zum Beispiel Anwälte, die sie per Brief aufgefordert hatten, als Straßenfeger zu arbeiten. Wenn diese Personen sich dann beschwerten, wurden sie als „Arbeitsscheue“ abgestempelt und ins KZ gebracht. Das Leben dort muss man sich so vorstellen: Die Menschen bekamen Nahrung mit ungefähr 650 Kalorien pro Tag. Dies reichte nicht einmal ansatzweise für die schwere körperliche Arbeit aus, die sie täglich leisten mussten. Eigentlich hätten sie 6500 Kalorien gebraucht. Außerdem verletzten sie sich bei dieser Arbeit häufig schwer, doch wurden sie nicht medizinisch versorgt! Sie erhielten höchstens notdürftige Hilfsmittel, damit sie die Arbeit weiterführen konnten. Die Häftlinge schliefen in Holzbaracken, auf drei bis vier Etagen hohen Holzpritschen – bis zu 200 Menschen pro Hütte. Im so genannten “kleinen” Lager schliefen auf vierstöckigen Holzstockbetten bis zu 2000 Häftlinge. Sie alle leisteten im KZ nicht nur schwere Arbeit, sondern dienten auch als medizinische Versuchsobjekte und starben oft qualvoll. Unter anderen hat die Pharma-Firma Bayer im KZ medizinische Mittel und Impfstoffe an Menschen getestet. So haben Ärzte Häftlinge mit Krankheiten infiziert und den Verlauf der Krankheit bis zum Tod notiert. Geholfen haben sie den Menschen nicht.

Unsere Ansprechperson in der Gedenkstätte Buchenwald, Zsuzsánna Berger-Nagy, zeigte uns zudem noch ein Gefängnis im Konzentrationslager. Dort wurden Häftlinge von den Nazis besonders gequält. Im KZ gab es die Hausordnung nur auf Deutsch, jedoch konnten viele sie nicht lesen. Darin stand beispielsweise, dass man keine schmutzigen Kleider und Schuhe haben durfte. Waren diese allerdings zu sauber, wurde es so gedeutet, dass man nicht gearbeitet hätte und man kam in dieses Gefängnis. Andererseits hatten die Häftlinge nicht einmal genug Wasser, um zu trinken! Wie hätten sie ihre Kleidung sauber halten sollen? In diesem besagten Gefängnis gab es verschiedene Arten von Foltermethoden, wie zum Beispiel die fehlende Sitz- oder Liegemöglichkeit. Es gab auch die Methode, den Häftling an den Füßen aufzuhängen, bis er oder sie gestorben ist. Nachdem wir uns voller Entsetzen das Gefängnis angeschaut hatten, zeigte uns Zsuzsánna den Zoo der SS-Männer, den sie von dem Geld, das sie erpresst hatten, bauen gelassen hatten. Im Zoo lebten Bären, Goldfische etc. Der Zoo lag direkt neben dem KZ-Lager, was bedeutet, dass die Kinder und SS-Männer auf der einen Seite die ausgemergelten Häftlinge und auf der anderen Seite die Bären gesehen haben.

Im Rahmen unseres eineinhalbtägigen Workshops legten wir mit Zsuzsánna auch einen Zeitstrahl der Daten und einzelnen Aktionen des nationalsozialistischen Regimes an. Dann sind wir ins Krematorium gegangen. Das ist die Verbrennungsanlage in Buchenwald. Dazu muss man wissen, dass der Mensch sich normalerweise für die Einäscherung nach seinem Tod selbst entscheiden muss und dass es in manchen Ländern und Religionen nicht üblich ist, sich verbrennen zu lassen. Bei den Juden ist es zum Beispiel nicht üblich. Man braucht zudem einen speziellen Ofen, der mit großer Hitze und ohne Feuer den Leichnam verbrennen lässt. Die Öfen, die die Nazis verwendet haben, waren für die Verbrennung von Tieren und nicht von Menschen geeignet. Bevor man verbrannt wird, muss ein Pathologe die Leiche untersuchen und dann die Leiche zum Verbrennen freigeben. Die Soldaten der SS (was „Schutzstaffel“ bedeutet), also die ausführenden Soldaten der Nazis, hatten einen sogenannten „Pathologen“. Doch dieser hat den Menschen die Goldzähne und Organe geraubt und Todesurkunden gefälscht! Die Organe schickte er einer Universität zu medizinischen Zwecken. Die Goldzähne behielt die SS. Sie benutzten außerdem irgendwann nur noch handelsübliche Öfen. Diese verbrannten die Leichen schnell, hinterließen allerdings einen ekeligen Geruch! Außerdem entstand auch keine richtige Asche. Nachdem sie die Leiche verbrannt hatten, schickten sie gefälschte Todesurkunden an die Familien, und fragten sie, ob sie nicht die Urne ihres verstorbenen Familienmitglieds käuflich erwerben wollten! In den Urnen konnte aber gar nicht die Asche des Toten sei, weil sie so viele auf einmal verbrannten.

Daneben wurden Häftlinge auch erhängt oder erschossen. Aus deren Haut wurden zum Teil z.B. Lampenschirme hergestellt. Diese wurden innerhalb der SS verteilt. Dies empfanden wir nach den Massenverbrennungen als unfassbar schrecklich und entwürdigend. Schon das Krematorium war für uns einfach ein Schock. Wir wussten zwar, dass Menschen verbrannt wurden, aber dass Menschen so schrecklich sein können, wussten wir nicht. Wir sahen auch die Fotos der Leichenberge und das war sehr erschreckend. Was wir allerdings berührend fanden, waren die Grabstellen, die überlebende Familienmitglieder für die Toten in den Räumen errichtet haben. Zsuzsánna erzählte uns beim Weitergehen von einem Pferdestall, dieser stand im Wald. Dort wurden ungefähr 8000 sowjetische Kriegsgefangene über zwei Jahre hinweg von ausschließlich Freiwilligen der SS umgebracht. Als wir in die Ausstellung kamen, sahen wir uns zuerst einen Film über die Veränderungen in Weimar bis 1937 an. In der eigentlichen Ausstellung sieht man Christbaumkugeln mit dem Hakenkreuz, die Uniform der SS und andere Gegenstände der Täter. Wir erfuhren, dass die SS-Männer regelrecht zur Gewalt erzogen wurden. Zsuzsánna erzählte uns auch, dass die Weimarer, die Hitler immer begeistert begrüßt hatten, nach dem Krieg von den amerikanischen Soldaten gezwungen wurden, ins KZ Buchenwald zu gehen. Die Bürger taten so, als hätten sie nichts von den Häftlingen und Zuständen gewusst. Dies war glatt gelogen, denn die Häftlinge haben in Weimar Ausbesserungsarbeiten vorgenommen und wurden auch mit dem Zug durch die Stadt gefahren.

Ich persönlich fand diese Studienfahrt spannend und erschreckend zugleich! Wie können Menschen so grausam sein? Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass die Schule so eine Aufklärung anbietet und vielleicht auch als Klassenfahrt dorthin fährt, damit jeder erfährt, was hier geschehen ist und es nie wieder geschehen kann.
Paula Eichmann (Jgst. 8)

Die Fahrt ermöglichte die Gesellschaft für Christliche-jüdische Zusammenarbeit, die dem Projekt “Nachspüren” im vergangenen Schuljahr auch den Erich-Rohan-Preis zugesprochen hat. Das Preisgeld sollte für eine Weiterarbeit am Gedenken an die Shoah verwendet werden. An dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank an die CJZ!