Mitmachen und sich fühlen wie ein Gymnasiast

Das Schlaraffenland liegt im ersten Stock der Leibnizschule. Treppe rauf, links durch die Glastür, dann eine der Türen rechter Hand öffnen - und voilà: Hier wachsen im Handumdrehen Schaumküsse auf das Doppelte ihrer eigentlichen Größe an. Jedes Kind entwickelt übermenschliche Kräfte und hebt mit dem kleinen Finger spielend leicht viele Kilogramm an Gewichten. Und Musik wird auf einmal sichtbar. Das Beste daran: Hier fühlen sich Grundschüler schon wie Gymnasiasten. Sie staunen nicht schlecht am Tag der offenen Tür, an dem sie reihenweise mit Eltern und Geschwistern ins Schlaraffenland eintreten, na gut, es sei verraten: Es sind die Türen zu den Physikräumen der Leibnizschule. Dort führen zwei Physiklehrer, Herr Brendel und Herr Dr. Schlüter, Experimente aus ihrem Fach vor. Die Vakuumpumpe: Sie lässt Schaumküsse explodieren. Den Flaschenzug: Er macht aus jedem Viertklässler Mr. Popeye. Das Oszilloskop: Es zeichnet auf, was wir sonst nur hören können - die Schallwellen der Musik.

Letztere erklingen ein paar Türen weiter noch viel schöner. Und auch hier geschieht ganz Erstaunliches. Kinder, die noch nie ein Cello in der Hand gehalten haben, entlocken diesem großen Instrument warme Töne und Musiklehrerin Jessica Walter fängt diese mit einem musikalischen Netz am Piano ein, sodass - Zauberei! - nach wenigen Minuten ein richtiges Musikstück entsteht. Hier haben Schülerinnen und Schüler der Leibnizschule ganze Vorarbeit geleistet, denn sie erklären den neugierigen Besuchern gern und geduldig, wie man nun diesem Trompetenmundstück oder der Querflöte einen Ton entlockt. Sobald das gelingt, gibt's ein großes Lob von den Nachwuchslehrerinnen und -lehrern und ein stolzes Lächeln auf dem Gesicht der Eltern.

"Ich will das probieren!" hört man deshalb in allen Räumen. Und natürlich am Kuchenbuffet, das die Eltern der aktuellen Jahrgangsstufe 5 und 6 liebevoll und reichlich mit selbstgebackenen Leckereien bestückt haben und an dem die wissensdurstigen Grundschuleltern aus erster Eltern-Hand beim Kuchenkaufen erfahren können, was an der Leibnizschule läuft. Was passiert in den NaWi-Klassen, was muss man für die Musik-Klasse können? Werden Geschwister bevorzugt aufgenommen? Gibt es Förder- und Forderangebote? Diese Fragen werden nicht nur im Elterncafé und am Stand des Schulelternbeirats oder des Fördervereins diskutiert, sondern auch im direkten Gespräch mit der Schulleitung, zurzeit kommissarisch vom stellvertretenden Schulleiter, Thomas Strauch, repräsentiert.

Richtig harte Kopfnüsse gibt's danach  im Religions- und Ethikraum zu knacken, hier stellt niemand anders als der Philosoph Immanuel Kant weltbewegende Fragen und die Kinder antworten ihm über die Jahrhunderte hinweg auf Zetteln an der Wand mit

ihren Gedanken des 21. Jahrhunderts. Im Latein-Raum gibt wiederum ein Grundschüler fachkundig ungünstige Prognosen für die Überlebenschancen von Playmobil-Römer-Männchen im Kolosseum ab: "Der Gladiator stirbt als Erster, weil er gleich vom Wagenlenker überfahren wird, der Sklave dort stirbt danach, weil ihn die Waffe des Schwertkämpfers treffen wird..." Hätte er mal ein paar Tausend Jahre früher gelebt, er hätte einen 1A-Arena-Kommentator abgegeben. Mal sehen, wie er sich in der Jahrgangsstufe 10 an der Leibnizschule beim Wettbewerb "Jugend debattiert" schlagen wird.

Im Stundentakt erleben die Grundschülerinnen und -schüler dann auch ganz normalen Unterricht. Sie lernen durchs Mitmachen und gut Zuhören, sich auf Englisch höflich zu äußern: "How to be polite in English?". Sie lösen Matherätsel oder dürfen sich - über einen Dolmetscher der 6. Klasse - mit einem (fast) echten Franzosen richtig unterhalten. So lernen sie schon vor ihrem möglichen großen Start an der Leibnizschule im kommenden Sommer ein paar Kinder kennen und

erfahren auf Französisch, dass auch Gymnasiasten Fußball lieben, kleine Schwestern nervig finden oder Rap lieber mögen als Rockmusik. Dass auch die Großen, sprich die Zehntklässler, "echt nett" sind, stellen die Besucher bei den Führungen durch die Räume fest - von der kürzlich modern ausgestatteten Biologie und dem Theaterraum im Keller bis in die Sporthalle auf der anderen Seite des Hofs.

Müde? Alles ein bisschen viel auf einmal? Dann lockt das "Wohnzimmer". Dieser neu eingerichtete Raum im Erdgeschoss heißt tatsächlich so. Farbenfrohe Möbel, Regale voller analoger Spiele, Körbe mit Wolle und Bastelmaterialien und gemütliche, dicke Sitzsäcke laden dort in jeder Pause und am Nachmittag zum Spielen, Erholen und Lesen ein. Jennifer Alidoust vom Evangelischen Verein für Sozialarbeit, der als Träger des Ganztags an der Leibnizschule fungiert, und die schulische Ganztagskoordinatorin, Katrin Beez, standen dort den Gästen am Tag der offenen Tür Rede und Antwort. Die beiden bilden zusammen mit der Sozialpädagogin Laura Fleck und Frau Görde, die das Mentorenprogramm der Schule leitet, das Herz des Ganztagsangebotes und der sozialen Arbeit am Mittelstufengymnasium. Dieses beinhaltet Gespräche über Konflikte, Ängste, Sorgen und soziale Trainingsangebote für Klassen. Welcher Druck sich zum Beispiel unter den Jugendlichen durch die ständige Selbstdarstellung in den digitalen Medien aufbauen kann, wissen nicht nur die Sozialpädagoginnen aus ihrer täglichen Arbeit. Sondern dies zeigt auch der Kurs "Darstellendes Spiel" von Frau Schäfer eindrücklich mit seinem Stück "Crazy Casting" -  so bietet die Schule auch auf kreative Art eine Möglichkeit, mit Herausforderungen im Alltag der Kinder und Jugendlichen selbstbewusst umzugehen.

Den vielfältigen Überblick über die Angebote der Leibnizschule lockern schließlich die Musikerinnen und Musiker durch punktuelle Aufführungen im Schulhaus immer wieder auf und sagen so mit angenehmen Klängen und zufriedenen Gesichtern, dass Schule nicht nur den Kopf, sondern auch Körper und Seele anspricht und entfalten helfen will. (Weitere Bilder finden sich in der Bildergalerie).