„Leben retten - mit Technik und Teamgeist“ – so lautet der Titel des vierten „Leibniz-Talks“ am letzten Tag vor den Sommerferien. Zu Gast ist das „Technische Hilfswerk“, kurz THW. Während der Name dieser Bundesbehörde brot-trocken klingt, ist das, was sie leistet, hochspannend. Was Leon Schmitt und Sascha Pfeiffer im vollbesetzen Musiksaal erzählen, kann locker mit jeder Outdoor-Survival-Doku auf Youtube mithalten. Der Unterschied: Keine der Katastrophen, von denen sie berichten, ist inszeniert, sondern oft

lebensbedrohlicher Ernst. „Gestern waren wir hier ums Eck‘“, erzählt Sascha Pfeiffer und zeigt aus dem Fenster des Musiksaals in Richtung Königsteiner Straße. Der Einsatz zählte aber eher zur Sparte „wichtig, aber irgendwie auch lustig“. „Da ist eine Badewanne abgesackt, den Nachbarn unten drunter fiel der Putz von der Decke, die Decke drohte durchzubrechen.“ Als die Feuerwehr nicht weiterkam, rief sie die Kollegen in Blau vom THW. Die hätten immer die Haltung „Irgendwie kriegen wir

das hin.“ Einsturzgefährdete Gebäude abstützen, Öl auf Gewässern binden, mit Hunden oder Drohnen mit Wärmebildkameras unter Trümmern nach Verschütteten suchen und Vieles mehr.
„Bei der großen Flut im Ahrtal 2021 haben wir in den ersten Nächten Personen von den Dächern geholt“, berichtet Leon Schmitt. „Aber auch Opfer geborgen, die nicht mehr flüchten konnten.“ Das Wasser habe vier Meter hoch an den Wänden gestanden. „Dann ging es ans Schuttwegräumen, Straßen freimachen.“ Erst versorgten sie die Menschen mit Generatoren, dann mit neuen Leitungen wieder mit Strom, bauten "in Nullkommanichts" eine ganze Stadt aus Zelten auf, installierten Aggregate installieren, verteilten Essen. Die Devise: „Wir sind völlig autark, wir haben alles dabei, was wir brauchen.“ Bundesweit seien Fahrzeuge und Material gleich, sodass man überall sofort einsatzbereit sei.
Sie sind stolz auf ihr hochwertiges Equipment, auf ihre wichtige Aufgabe – und sie haben Bärenspaß. „Wir dürfen immer mit dem ganz großen Spielzeug spielen“, sagt Leon Schmitt mit einem jungenhaften Grinsen

und die Jungs und Mädchen im Publikum lauschen gespannt. „Ich finde das Sprengen am spannendsten.“ Und Sascha Pfeiffer ergänzt: „Wenn irgendwo keine Tür mehr ist, dann machen wir eine!“ Das glaubt man dem gut 1,90 großen, stabil gebauten Mann aufs Wort, der eine mobile Kreißsäge heute mal eben neben dem schwarzen Flügel abgelegt hat. Dabei sitzt er im zivilen Leben als Organisationsentwickler bei der Deka-Bank hinterm Schreibtisch. Leon Schmitt ist SAP-Berater bei der Deutschen Bahn – bis das Handy wieder klingelt. „Dann fragt das THW, ob man mit 60
anderen Männern und Frauen zum Helfen nach dem Erdbeben in die Türkei fliegt.“ Die Arbeitgeber stellen die THW-Mitarbeitenden frei, sie werden weiterbezahlt. Die Einsätze selbst und vor allem die vielen Trainingsstunden leisten die bundesweit 80.000 THW-ler ehrenamtlich, so Schmitt. Rund die Hälfte von ihnen sind übrigens Frauen.
Was motiviert sie dazu, der Gesellschaft ihre Zeit, Kraft und ihr Talent zum Problemlösen zu schenken? „Ich habe mit 18 Jahren aufgehört, Fußball zu spielen und habe ein neues Hobby gesucht, ich wollte etwas Sinnvolles machen“, erzählt Leon Schmitt den Schülerinnen und Schülern. Er entschied sich für ein halbes Jahr Ausbildung beim THW. Seitdem trainiert er mit dem Ortsverein Frankfurt jeden Mittwochabend und einen Samstag pro Monat für die Katastropheneinsätze. „Zuerst lernt man, sich bei Einsätzen nicht selbst umzubringen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Dann lerne man schweißen, Bäume fällen, Fähren bauen, Bagger oder Lkw fahren, Atemschutzgerät anlegen für den Chemieunfall. „Wir brechen Decken durch und schneiden Autos auf.“
Hier hakt Sascha Pfeiffer ein, der auch noch ehrenamtlich als Rettungssanitäter im Frankfurter Bahnhofsviertel arbeitet. „Bei mir ist die Motivation nicht so idealistisch“, hängt er die Retter-Messlatte ein Stückchen tiefer. „Ballern und kaputtmachen ist genau mein Ding“, beschreibt er und grinst breit. „Oder mit einem 40-Tonner mit 80 km/h

mit Blaulicht durch die Stadt heizen.“ Dennoch behält jeder Retter in jedem Moment den Kopf auf den Schultern. Das Ziel ist, Menschen zu helfen. Dass das aber richtig Spaß machen kann, daraus machen beide kein Geheimnis, das blitzt bei jedem Einsatz durch, von dem sie berichten. „Man trifft Leute aus Brasilien, Israel, der Türkei, man trainiert sein Englisch.“ Und selbst Arbeitgeber würden Vorteile sehen, wenn sie ihre Leute freistellten, denn „wir machen ja teure Feuerscheine für schwere Fahrzeuge, wir wissen, was im Notfall zu tun ist, das ist auch für eine Firma von Vorteil“, erklärt Leon Schmitt auf die Frage eines Schülers. Und wenn er selbst verletzt werde? „Dann sind wir versichert und werden medizinisch versorgt“, so Schmitt. Nicht selten bräuchten die Helfer selbst Hilfe für psychische Verletzungen – Opfer zu bergen, manchmal nicht helfen zu können, das „nimmt man mit nach Hause“, geben sie zu.
Umso mehr lieben sie ihre sehr gute Ausrüstung, die ihnen hilft, die Folgen von Katastrophen unter Kontrolle zu bekommen. Was alles in dem schweren blauen LKW steckt, zeigen die beiden Männer kurze Zeit später auf dem Schulhof. Sie öffnen eine Klappe nach der anderen, ziehen Bahren, Seile, Sauerstoffflaschen, bleischwere manuelle Seilwinden oder ein nur wenige Zentimeter dickes quadratisches Hebekissen heraus. Damit haben sie durch Druckluft schon einen fünf Tonnen schweren Cateringwagen angehoben. Er war im Frankfurter Hauptbahnhof vom Bahnsteig ins Gleis gekippt…
Wer nach diesem beeindruckenden Besuch Lust bekommen hat, sich beim THW zu engagieren, kann sich direkt ans THW wenden: Per Mail an mitmachen@thw-frankfurt.de, oder auf Instagram #thw-frankfurt. Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren lernen dort alles, was für die Einsätze ab 18 Jahren wichtig ist. Alle drei Jahre gibt es ein bundesweites Zeltlager.
