Was zeichnet einen Profi-Basketballer aus? Kampfgeist - klar. Ehrgeiz - natürlich! Aber Nachdenklichkeit? Entwaffnende Ehrlichkeit? Das würde einem nicht direkt einfallen. Schon gar nicht, wenn 50 Schüler, Lehrkräfte und die Presse im Raum sind. Aber Thomas Böhme bringt alle diese Eigenschaften mit zu seiner Begegnung mit Schülerinnen und Schülern der siebten Jahrgangsstufe an der Leibnizschule. Er erzählt als erfolgreicher Rollstuhl-Basketballer von seinen Erfahrungen rund um das Thema "Werte".

Gemeinsam mit der Werte-Stiftung, die ihren Sitz in Frankfurt hat, gestaltet Böhm das letzte von drei Modulen unter dem Titel "Werte (er)leben". Im Modul 3 begegnen die Lernenden als Höhepunkt einem "Werte-Botschafter" wie Thomas Böhme. Sie erfahren von ihm, was wichtig ist im Leben, in der Gemeinschaft, im Umgang mit einer Einschränkung, mit der er durch eine Spina bifida Erkrankung seit seiner Geburt lebt. Durch sie konnte er nie laufen. Und spielt dennoch an der Weltspitze Basketball. Wie das geht? Dazu gleich.

Nachdem sie im ersten Modul ihren eigenen Werte-Kompass erforscht haben, haben sie im zweiten Modul werteorientierte Einrichtungen besucht. Darüber tauschen sie sich jetzt aus. "In den Praunheimer Werkstätten arbeiten Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen" erzählt Zeynep. "Da habe ich verstanden, dass jeder Stärken hat. Und dass es jedem Menschen, der dort arbeitet, guttut,

dass er dafür auch bezahlt wird." Ob er nun Schläuche für Klimaanlagen herstellt oder Geschirr für Krankhäuser trennt. "Bei der Polizei kommt es vor allem auf Teamarbeit und Respekt an", hat Haitam vom Besuch im Polizeipräsidium mitgebracht. "Gewalt wenden die Polizisten nur in größter Not an." Eyüp war beeindruckt, "dass die Leute von der Freiwilligen Feuerwehr Höchst das alles in ihrer Freizeit machen. Sie nehmen kein Geld dafür - sie wollen nur helfen." Die Vorführung der schweren Ausrüstung und eines Löschfahrzeugs gehörte genauso dazu wie Spiele, in denen die Gruppe erfolgreich war, die am besten kooperierte. Auf die Frage von Ali "Wie oft müssen sie ins Feuer?" antwortet Cornelius, der dabei war: "Sie müssen meist nur brennende Büsche oder Fahrzeuge löschen  - oder Katzen retten."

Kniffelig finden die 13-Jährigen ein Quiz, in dem sie herausfinden sollen, welche Werte hinter Artikeln im Deutschen Grundgesetz stehen. Darüber diskutieren sie anschließend intensiv in Gruppen. Das Fazit aus eigener Besuchserfahrung und der Kenntnis des Grundgesetzes zeigt sich bald nach einer digitalen Umfrage: Wenn sich Menschen an diese Werte halten und sich für andere einsetzen, dann "fühlt man sich gut und sicher, in so einem Land

zu leben". So fasst Moderator und Organisator Florian Huber von der Werte-Stiftung die Einträge der Schülerinnen und Schüler zusammen. Er fügt hinzu: "Das ist in anderen Ländern nicht selbstverständlich."

Und was ist für Thomas Böhme, den Basketballer, richtig wichtig? Er denkt nach, als er kurze Zeit später mit allen Siebtklässlern in einem Raum sitzt. "Respekt", antwortet er als Erstes. "Dann kann man Respekt zurückerwarten. Dann Teamgeist - haltet als Klasse zusammen, helft euch gegenseitig. Und schließlich Akzeptanz - jeder, wie er hier sitzt, hat seine Geschichte. Akzeptiert euch so, wie ihr seid."

Weil Thomas Böhme dabei von sich erzählt, sind das keine hohlen Worte. "Ich war von klein auf im Rollstuhl... das war schwierig für mich zu akzeptieren. Alle konnten laufen, Fußballspielen, ich konnte nie so schnell sein wie sie. Aber ich hatte immer das Glück, dass ich mich von meiner Klasse und im Kindergarten gut aufgenommen gefühlt habe. Ich fühlte mich nie ausgeschlossen. Wenn die Klasse einen Ausflug geplant hat,

haben die Kinder immer gesagt ,Wir müssen irgendwo hin, wo Thomas auch hinkann.'" Böhme berichtet aber auch von Teamkollegen, die "eine schwierige Schulzeit" hatten. "Es ist wichtig und gut, wenn alle gleich wertgeschätzt werden, egal, welche Geschichte sie haben."

Mit elf Jahren hat Böhme den Rollstuhl-Basketball für sich entdeckt. "Das war für mich der Wendepunkt", erinnert er sich. "Es hat mir Spaß gemacht und ich hatte Talent." Mit 14 Jahren ging er nach Bayreuth, seit 2010 spielt er professionell beim RSV Lahn-Dill, 2009 zum ersten Mal in der Nationalmannschaft. Als Böhme die Titel aufzählt, kommt keiner mehr mit: "Acht mal Pokalsieger, drei Mal Champions League, drei Mal bei den Paralympics angetreten..." Die Krönung kam 2024, bei der dritten Teilnahme in Paris: "Bronze bei den paralympischen Spielen - das war für uns Gold!" Und während Thomas Böhme an diesem Morgen immer wieder entwaffnend gelächelt und gelacht hat - hier strahlt er. Er öffnet stolz die Schatulle mit der Medaille. Sie ist umso kostbarer, als die Mannschaft bei drei Paralympics davor keine Medaille erreicht hatte. "Der emotionale Wert ist unbezahlbar."

Gerne lässt sich der Star auch noch von den Kindern mit Fragen löchern: "Was haben Sie für einen Hund?" - "Einen Labrador, er ist mein großes Hobby" - "Waren Ihre Eltern mit Ihrer Sportkarriere einverstanden?" - "Ja, sie haben mich sofort unterstützt." -  "Wieviel verdienen Sie?" - "Weniger als ein Fußballer, genug zum Leben, aber nicht genug, um mich nach der Karriere zur Ruhe zu setzen." - "Was wollen Sie dann machen?" - "Ich habe einen Trainerschein, ich könnte im Verein weiterarbeiten.

Und ich sehe es ein bisschen als Pflicht an, mich für mehr Inklusion und Barrierefreiheit einzusetzen."

Als ein Mädchen fragt: "Wenn es eine Operation gäbe, nach der Sie laufen könnten, würden Sie die machen?" herrscht gespannte Stille im Raum. Geht diese Frage jetzt doch zu weit? Thomas Böhme lässt sich Zeit, überlegt - und antwortet dann: "Ich würde es nicht machen. Ich habe so viel von der Welt gesehen, so viele Menschen kennengelernt. Ich möchte das nicht eintauschen. Als ich jünger war, haben mich Vorbehalte von anderen schon interessiert. Aber heute interessieren sie mich nicht mehr. Ich bin glücklich so, wie es ist."